Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Santiago

Peter Thomas

aus Siegburg



38. Tag
Donnerstag 25.07.2002

Fest des Heiligen Apostels Jakobus


Ich habe gut geschlafen, meine Probleme mit der Verdauung scheinen endgültig ausgestanden zu sein.

Ich steh um halb acht auf und gehe in die Stadt, die schon wieder blitzeblank sauber ist, auch die Reste vom Feuerwerk inklusive aller Installationen an der Fassade der Kathedrale sind beseitigt. Eine wirklich beeindruckende Leistung der Aufräumkommandos!

Ich trinke einen Kaffee und gehe in die Kathedrale, wo ich einen der letzten Plätze für das Festhochamt bekomme. Aber bis zu dessen Beginn ist es noch lang. Um neun Uhr gibt es eine 'stille Messe' (nun ja, wirklich ruhig ist es nicht wegen der Touristen, aber eben ohne Orgel und Gesang). Es folgt eine Andacht, die 'Laudes' genannt wurde (obwohl das zu der Tageszeit nicht so recht passt). Während der ganzen Zeit patrouillierte überall Sicherheitspersonal, auch Absperrungen waren schon überall angebracht, denn zum Festhochamt wird die königlich Familie wie immer anwesend sein. Leider gibt es unter den seit langer Zeit Wartenden und den jetzt erst Ankommenden Besuchern des Festhochamts manche hässliche Diskussion um freie oder (vermeintlich freie) Sitzplätze. Auch ich habe plötzlich eine Spanierin praktisch auf dem Schoß sitzen!

Um elf Uhr beginnt das Hochamt mit dem Einzug der Geistlichen (darunter bestimmt fünfzehn Bischöfe) Kirchenschweizer (allerdings in spanischer Tracht(, Ministranten, Honoratioren und eben der königlichen Familie. Der Thronfolger scheint nach der Fotohäufigkeit der absolute Liebling der Spanier zu sein. Auch König Juan Carlos ist dabei, zieht in etwa anderthalb Metern Entfernung an mir vorbei. Der Organist spielt, laut und vergleichsweise dilettantisch, ein Praeludium von Bach und anschließend, da das Stück zu kurz ist, eine darauf aufbauende Improvisation, so simpel und fehlerhaft, dass es eigentlich echt peinlich ist. Gibt es in dieser zentralen Kirche zu diesem zentralen Gottesdienst, zu diesem Ereignis, einem der höchsten spanischen Feste, mit Fernseh-Direktübertragung landesweit wirklich keinen guten Organisten?! Das Ordinarium wird vom allerdings ausgezeichneten Chor im Wechsel mit der Gemeinde gesungen: Die 'Achte Choralmesse' (de angelis) mit vierstimmig ausgesetzten Chorpassagen im Palestrinastil, aber mit Harmonien aus unserer Zeit; sehr schön, wenn mir auch die Chorsätze für den Gemeindegesang eher Verwirrung als Hilfe bedeuteten. Aber es gibt ja den Gemeindekantor auf der linken Kanzel, ein stimmgewaltige Bariton, der die Volksmenge dirigiert und gesanglich führt. Das Amt ist sehr feierlich, der Strom der Touristen ist abgeebbt, offenbar hat man zu Beginn des Hochamts doch die Eingänge dicht gemacht. Um halb eins ist die Messe zu Ende, während des Auszugs versucht der Organist eine verzweifelte Realisierung der Toccata aus der fünften Orgelsinfonie von Widor.

Mittagessen, Siesta.

Nachmittags Foto der jetzt freien Fassade der Kathedrale. Dann treffe ich 'Heinrich' aus Essen, der auch mit dem Fahrrad den ganzen Weg von der Heimat bis hier zurück gelegt hat und im selben Hostal wie ich ein Zimmer hat. Natürlich haben wir bis spät in die Nacht, bei einer guten Flasche Rioja viel zu fachsimpeln! (Heinrich hat mit dem Rückflug übrigens nicht so viel Glück gehabt wie ich, er konnte nur noch einen Flug um neun Uhr morgens bekommen und muss deshalb zu Flughafen radeln, da so früh noch kein Bus fährt.)