Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Rabanal del Camino nach Villafranca del Bierzo

Peter Thomas

aus Siegburg



31. Tag
Donnerstag 18.07.2002


Ich habe gut geschlafen, auch wenn ich ein paar Mal in der Nacht gehört habe, wie sich jemand im Saal übergeben musste. (Hehe, wohl gestern doch zu lange an der Bar gesessen!).

Beim Frühstück (Toast, Eier und Speck) erfahre ich dann, dass etwa zehn Pilger aus Léon ernsthaft erkrankt sind. Offenbar handelt es sich um eine Lebensmittelvergiftung, alle hatten am Abend vorher im Restaurant 'El Peregrino' die Fischsuppe gegessen. (Ich hatte diese auch erwogen, aber mich dann doch für Nudeln als ersten Gang entschieden; Glück gehabt!) Für die erkrankten Pilger ist der Jakobsweg damit für dieses Jahr zu Ende, sie lassen sich von Verwandten und Freunden nach Hause holen.

Die letzten Höhenmeter bis zum 'Cruz de Ferro' sind anstrengend, aber wegen der Morgenkühle (ich war um halb acht gestartet) gut zu bewältigen.

Das 'Cruz de Ferro' oder auch 'Cruz de Hierro', das 'Eisenkreuz', ist wohl einer der eindrucksvollsten Punkte am Jakobsweg: Es gibt wohl kaum ein hässlicheres Wegkreuz als dieses, aber es hat eine Besonderheit: Das verrostete Eisenkreuz ist auf der Spitze einer langen Holzstange befestigt, die auf einem Hügel aus Steinen steht. Dieser Hügel wächst, denn seit Jahrhunderten legen Pilger an dieser Stelle ein aus der Heimat mitgebrachten Stein ab, als Symbol dafür, dass man hier auf dem Pilgerweg alles ablegen kann, was einen bedrückt. Und so lege auch ich meinen kiloschweren Kiesel ab, den ich in Bonn am Rheinufer aufgelesen und die ganze Strecke mitgeführt habe.

Es geht noch ein paar Kilometer weiter auf und ab über die Höhenstraße, dann folgt die Abfahrt nach Ponferrada. Ich hatte mich ja schon lange auf diese gefreut, aber sie stellt sich als sehr anstrengend und schwierig heraus: Fast 900 Höhenmeter geht es steil bergab, auf schmaler und oft ausgesetzter Straße. Das Gefälle ist so stark, dass ich mit einer Bremse das Tempo gerade so auf 20-30 km/h halten kann, anhalten kann ich nur unter gleichzeitigem Einsatz aller Bremsen. Und es zeigt sich, dass die Entscheidung für zwei Felgenbremsen zusätzlich zum Rücktritt richtig war: die Hinterradnabe war bereits nach wenigen Probe-Höhenmetern dermaßen heiß, dass ich sie nicht mehr berühren konnte. Also verzichte ich bei der weitern Abfahrt auf diese Bremse, außer eben zum Anhalten, was zum Entspannen der angestrengten Unterarmmuskulatur und zum Abkühlen der heißgebremsten Felgen einige Male erforderlich ist.

In der Stadt Ponferrada mache ich Pause mit Picnic auf einer Bank eines Parks. Ich schaue in die Karte, das Ziel Santiago ist nicht mehr weit. Zeit, einmal das Busunternehmen Alsa anzurufen, mit dem ich nach Hause zurückfahren will, denn diese Firma bietet im Gegensatz zur Bahn die Mitnahme eines Fahrrads zu einem günstigen Preis an. Kurz vor der Abfahrt hatte ich von der Filiale in Köln die Auskunft bekommen, dass ich keine Reservierung für Mensch und Rad vornehmen müsse, sondern einfach zwei bis drei Tage vor Reisetermin am Busbahnhof in Santiago ein Ticket kaufen solle. Jetzt habe ich aber das Gefühl, es wäre vielleicht doch sinnvoll, wenigstens telefonisch vorab einen Platz zu reservieren. Und was sagt Alsa?

'Seit dem erstem Juli dieses Jahres transportieren wir keine Fahrräder mehr.'

Schock! Katastrophe! Wie bekomme ich jetzt mein Rad wieder nach Hause? (Na, irgendwas werde ich schon finden, notfalls irgendeine internationale Spedition.)

Ich fahre weiter, eben bis Cacabellos, dann mit einigen Steigungen und Abfahrten bis Villafranca del Bierzo. Das letzte Stück ist hart wegen der Hitze, es hat bestimmt 32-34°C.

Im legendären Refugio 'albuergue de Jato' finde ich Quartier, um vierzehn Uhr ist der Fahrtag zu Ende, es ist einfach zu heiß.

Duschen und Ausruhen.

Ein paar Stunden später trifft auch Nino ein, ein netter Spanier aus Valencia, der mit kleinem Gepäck auf einem Rennrad auf dem Camino ist, und den ich zuerst in Burgos getroffen hatte. Dort hatte er sich sehr für die Technik meiner Maschine interessiert, und da ich ihn seitdem einige Male überholt habe, nennt er mich mittlerweile ebenfalls 'machina'. Außerdem treffe ich hier ein junges Paar aus Ulm, mit dem ich mich gut unterhalte, nicht zuletzt über Fahrräder, denn er betreibt einen Kleinbetrieb, in welchem er Liegeräder in Kleinstserie herstellt. (Ich bekomme richtig Appetit auf so ein Gefährt, werde mir solches zu Hause mal näher ansehen. Wenn die nur nicht so teuer wären!)

Am späten Nachmittag, als es etwas kühler wird, besichtigen wir gemeinsam die Stadt, und wir essen hier auch zu Abend.



Tagesstrecke 59 km