Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Estella nach Azofra

Peter Thomas

aus Siegburg



26. Tag
Samstag 13.07.2002


Ich hatte eine schlechte Nacht, wegen der vielen kräftigen Schnarcher im Saal. Außerdem war durch die Frühaufsteher mit ihren Knistertüten ab halb fünf an Schlafen nicht mehr zu denken. Ich stehe also selbst um viertel vor sechs auf.

In der Küche gibt es Frühstück, reichlich und vielfältig, mit Kaffee und anderen warmen Getränken, so dass ich mich für die heutige Etappe gut stärken kann.

Ich hatte gestern beschlossen, mal den Weg der Fußpilger zu versuchen. Das stellt sich jetzt als sehr beschwerlich heraus, auf den steinigen Pisten ist nicht gut fahren mit dem vollbeladenen Rad, und es erfordert dauernde höchste Aufmerksamkeit wegen der Gefahren für Reifen und Balance. Möglicherweise wäre diese Strecke mit wenig Gepäck und auf einem Mountainbike ja ganz gut befahrbar, mit meinem bequemen Reiserad ist sie eine Tortur. Auch das Schieben an den steilen Bergstrecken ist außerordentlich anstrengend, weil das Rad auf dem losen Untergrund immer seitlich wegrutscht.

Zu allem Übel verstauche ich mir auch noch den linken Ellebogen bei einem missglückten Schiebe-/Hebemanöver zur Umgehung eines Weidegatters. Und dann, nachdem ich beschlossen hatte, auf dem kürzesten Weg zur Straße zurückzukehren, verfranze ich mich auch noch und bin nach einer guten Stunde wieder auf einer Brücke, die ich bereits auf dem Fußweg unterquert hatte. Nun gut, ich bin um eine Erfahrung (oder besser Erschiebung?) reicher!

Auf der Nationalstraße geht es weiter nach Logroño, das letzte Stück ätzend steil (auf- und abwärts) und extrem anstrengend. Um dreizehn Uhr bin ich in der Stadt und stärke mich mit Eis, Cola und Joghurt. Eigentlich bin ich schon fix und fertig, aber es ist doch noch zu früh am Tag, um nicht noch weiterzufahren. Also weiter, ultreia!

Auf meiner Karte kann ich ab Logrono nur eine Autobahn ausmachen, und so versuche ich nochmal auf dem ausgezeichnet bezeichneten Fußweg aus der Stadt herauszukommen, und diesmal geht es erheblich besser als in Estella, denn zum Ersten sind hier lange Strecken asphaltiert und zum Zweiten ist die Gegend relativ eben. Und so fahre ich fast ausschließlich auf dem Fußweg, was zwar anstrengender ist als auf der Straße, aber auch landschaftlich erheblich schöner und vor Allem nicht so laut und nervig. Man fühlt sich auf der Straße doch immer ein wenig von den Autos gehetzt, obwohl die Kraftfahrer hier eigentlich gar keinen Anlass für dieses Gefühl geben.

Ich gelange nach Najera, was ich mir morgens als Ziel gesetzt hatte, fahre aber noch weiter, denn jetzt läuft es wieder richtig gut. Ich komme so bis nach Azofra, wo ich die kleine von den Kölner Santiagofreunden erbaute Herberge aufsuche.

Leider sind bei meiner Ankunft um halb sieben schon alle Betten belegt, aber es gibt zahlreiche Matratzen, auf denen man auf dem Boden der Küche schlafen kann, und auch die Dusche kann ich benutzen. Und so bleibe ich, denn bis zur nächsten Herberge sind es noch siebzehn Kilometer, und wer weiß, wie es da aussieht. Außerdem reicht es von der Strecke her gesehen für heute, es ist doch noch einiges an Kilometern und Höhenmetern (1132 m aufwärts, 1050 m abwärts) zusammen gekommen.

Abends soll noch eine Pilgermesse sein, um viertel nach sieben oder um acht, so ganau weiß das hier niemand. Die Messe beginnt dann schließlich um zwanzig vor acht.

Der Wortgottesdienst ist sehr ausführlich, es gibt keine Predigt, aber der Pfarrer führt sehr gründlich in jede der drei Lesungen ein, wozu er auf einem Stuhl vor dem Altar Platz nimmt. Ich verstehe natürlich so gut wie gar nichts, aber die Lieder kann ich mitverfolgen, da es dazu Texthefte mit Übersetzungen in allen relevanten Sprachen gibt. Eine Orgel spielt nicht, aber die Gemeinde singt sehr eifrig, geführt vom emsigen Sakristan.

Nach der Messe bekomme ich meinen Tagesstempel von Dona Maria, die die Herberge betreut, und der ich die von den Kölnern aufgetragenen Grüße übermittele.

In einem der Restaurants im Dorf esse ich ein Pilgermenu, wie immer hier in Spanien preiswert (ca. 7€), gut und reichlich, inklusive Wein bis zum Abwinken.

Zurück in der Herberge ist mir die Luft in der Küche zu stickig und ich beschließe, so wie ein paar andere Spätankömmlinge, auf der Matratze draußen im Freien zu schlafen. Gegen die wohl nicht allzu schlimme Nachtkälte schützt der Schlafsack und eine Decke, gegen einen eventuellen Regen schützt das Portal der Kirche, unter dem wir uns niederlegen.



Tagesstrecke 91 km